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Burning Desire (Israel, 1983)

Heißes Verlangen, verschlingende Blicke, Flirren und Sonnenglühe über dem Motel, die Wüste vor der Türe und im Bett räkeln sich zwei nassgeschwitzte Leiber, keuchend, aus aufgerissenen Augen blickt sie ihn an, ihre schwarzen Locken kleben ihr feucht an den Schläfen und ihre beiden umschlungenen Leiber sind so nassgeschwitzt, dass es quietscht, wenn sie sich aneinander reiben, sie quietschen, quietschen, quietschen, es raubt einem den letzten Nerv, dieses Quietschen, aber ich wollte eigentlich noch einmal auf Hubsi Schneider zurückkommen, diesen übelriechenden Lügenbaron.

In den späten 90er Jahren kam es beinahe zu einem festen Raufhandel zwischen uns. Franz Sebastian und ich waren beide zu einem philosophischen Symposium in Hamburg geladen worden, eine dreitägige Tortur, der ich mich nicht rechtzeitig entziehen konnte. Der zweite Tag fiel auf einen Samstag und Franz hatte es innerhalb der kurzen Zeit mittels distanzloser Prahlerei geschafft zu einer Party in einer Prunkvilla auf einem Hügel in einem Vorort geladen zu werden. Dort feierte Hubsi Schneider seinen 70. Geburtstag mit allem, was nach Gold und Trompeten roch. Ich hatte überhaupt keine Lust, dort hinzufahren. Eine Gesellschaft von Parvenüs und Angepassten erwartete ich mir, garniert von ein paar bleich und bitter gewordenen Libellen der deutschen Pornoszene. Aber da ich den Wagen hatte, führte für Franz kein Weg an mir vorbei und so belagerte er mich mit allerhand listigen und weniger listigen Tricks, bis er endlich mit der Sprache herausrückte, dass er von diesem Fest von Hilda wusste, die mit wenig Glück ebenfalls aufkreuzen würde. Ich schnappte mir einen Stadtplan, eine Stunde später trafen wir uns vor meinem Auto.

Wir beide waren mit Anhang unterwegs, ich mit Baxter, und Franz mit Maga, seiner bis heute einzigen und letzten fixen Freundin. Sie war eine runde junge Dame, die sich ihre feuerroten Haare bitterschwarz färbte, ihre Lippen mit einem umgedrehten Kreuz piercte, und sich als Hexe bezeichnete.

Maga stellte einen Wendepunkt in Franzens Leben dar. Vor ihr hatte er mit einer Reihe von jungen Damen verkehrt, ihre Mikro-Beziehungen reichten von einer kurzen Nacht bis zu drei Wochen, je nachdem wie lange es sich die Frauen gefallen ließen, pausenlos von Franz erzogen zu werden. Mit dem Niedergang seines Erfolgs und – noch viel wichtiger – seiner Figur wurden die Auftritte dieser Art von jungen Damen immer seltener in seinem Leben. Franz versuchte sich eine Zeitlang an reiferen Damen — so bezeichnete er Frauen, die ebenso alt waren wie er – aber was immer er ihnen zu bieten hatte, die Damen konnten gut darauf verzichten, selten bekam er mehr als ein höfliches Gelächter zu hören und wenn es ihm das eine oder Mal doch gelang durch Betteln und Wehklagen zum Zug zu kommen, wurde er nach wenigen Tagen auf eine Anrufbeantworter-Freundschaft herabgestuft und in den Fällen, in denen es Franz auch damit übertrieben hatte, waren es bald nur noch trocken tutende Leerzeichen, die Franz anschmachten konnte.

Dann war mit Maga ein gewisser Höhepunkt amouröser Verzweiflung eingetreten. Nach einer völlig außer Kontrolle geratenen Vernissage war Franz unter einer Installation von Tone Fink eingeschlafen. Maga hievte ihn hoch und brachte ihn sicher in sein Kleingartenvereinshaus, aus dem sie sich fortan einfach weigerte, auszuziehen. Nach mehreren Wochen gab Franz auf und fügte sich in die Beziehung, die hauptsächlich daraus bestand, dass Maga etwas, das Franz gerne mochte, verbot, woraufhin er es trotzdem machte und Maga in der Küche Vogelnester verbrannte. So lief es auch an jenem Abend im Auto, als Baxter, Franz und ich während der Fahrt in meinem Auto gemütlich Chips aßen und Maga prompt meinte, sie bekäme von deren Geruch unerträgliches Kopfweh. Franz stopfte sich als Antwort umso mehr Chips in den Mund und lobte beim Kauen laut den herrlichen Geschmack. Nirgends könne man so gute Kartoffelchips bekommen wie in Hamburg. Die kühle Meeresluft gab dem Genuss noch einen letzten Schubs ins Außergewöhnliche. Daraufhin benannte Maga Franzens Gemächt als Dorftrottel von einem Penis, Baxter bellte, und die Stimmung kam so richtig in Schwung.

Nach Maga hatte Franz gar keine Freundin mehr. Er versuchte es ein paar Mal in meinem Fußstapfen und besuchte Bordelle, aber auch das scheiterte schnell, diesmal an der Tatsache eines länderübergreifenden Hausverbots, nachdem Franz zu oft versucht hatte, davonzurennen ohne zu zahlen.

Wir kamen beim Fest an, die ersten Gäste purzelten bereits auf dem Rasen herum. Es war die damals übliche Mischung aus grellen Fernseh-Starlets, abgehalfterten Szene-Ikonen aus der Umgebung, Rechtspopulisten und jungen grantigen Homosexuellen. Franz, Baxter und ich mischten uns unter die Leute. Maga blieb schmollend im Wagen sitzen.

Kaum waren wir aus dem Wagen ausgestiegen, teilte mir Franz beiläufig mit, dass er sich geirrt hatte. Er wusste gar nicht von Hilda von diesem Fest, ein alkoholkranker Lektor hatte ihn eingeladen. Dieser musste ihn  irgendwie an Hilda erinnert haben, deshalb die Verwechslung, sagte er und grinste breit, weil er so schlecht log. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt gewesen, um der Wut zu verfallen, aber wen hätte denn die Wut treffen sollen, außer mich – ich hätte es natürlich besser wissen müssen.

Es war schon spät, als wir zum Mittelpunkt des Festes  durchstießen. In der Küche stand Hubsi Schneider, bedeckt von einer unüblich dicken Schweißschicht, an den Enden seines spitzgezwirbelten Schnurrbartes verfingen sich daumennagelgroße Schwitzperlen. Er fuchtelte mit einer Cognacflasche herum, als er ordinäre Anekdoten aus seinem Leben preisgab. Seine Stimme bröselig, knochig, von den vielen Zigarren zerrieben. Seine Krankenschwester, die er 2010 geheiratet hat (seine vierte Frau) hielt sich schüchtern im Hintergrund. Lächelnd, seufzend, mal von weißer Scham geschüttelt.

Kaum wurden wir ihm vorgestellt, umarmte er Franz und mich und küsste mich auf den Mund.

»Endlich Österreicher!« Er strahlte über das ganze Gesicht. »Endlich richtige Menschen aus Österreich!«

Er müsse unbedingt mit uns reden, ganz dringend. Seine Augen waren rot und klein, seine Lippen zitterten vor Aufregung. Er drängte uns in eine Ecke, bzw. mich und Baxter, denn Franz täuschte ein Stolpern vor und konnte so dem drängenden Bauch zur Seite nach entkommen und stob eine unverständliche Ausrede murmelnd davon.

Er wusste, sagte Hubsi Schneider, dass er jetzt nur noch einen Film in sich hätte. Die Zeit für die Art leichtblusiger Pornokomödchen und filmischen Albernheiten, denen er sein Leben gewidmet hatte, war vorbei. Mit Filmen wie Toto unter Pflaumen, Der Hohlkopf und der Kohlkopf, Die Muskebumser war nicht mehr der geringste Rebbach zu erzielen. Hubsi Schneider wollte seine Karriere mit einem Knall beenden. Ein großer Wurf, einen Film voll dunkler Schwere, nichts weniger als ein Kunstwerk sollte es werden. Dann könne er sich beruhigt zur Ruhe setzen, um in seinen zahlreichen Feriendomizilen Aquarellbilder zu malen.

Basierend auf einer wahren Geschichte sollte der Film von einem Zirkusdirektor erzählen, der mit seinem schlecht gehenden Zirkus durch den amerikanischen Süden getingelt war, als sein Elefant einen ungelernten und angeheiterten Trainer in der Manege tötete. Die Gesetze waren noch ungestüm und maßlos Anfang des 20. Jahrhunderts und so wurde Mary, der Elefant, zum Tod verurteilt. Der Zirkus, der an sich schon in starker Bedrängnis durch die aufwändigere Konkurrenz war, würde durch den Wegfall dieser Attraktion und durch die hohen Gerichtskosten nicht überleben können. So machte der Zirkusdirektor aus seiner Not eine Tugend und aus der Hinrichtung des Elefanten die größte Show seines Lebens.

Für die Rolle des Zirkusdirektors wollte er niemanden anderen als Peter Alexander. Dabei ignorierte er trotzig die Tatsache, dass dieser sich mittlerweile zur Ruhe gesetzt hatte. Mehrmals hatte Hubsi Schneider versucht, Kontakt zu Peter Alexander aufzunehmen, doch der machte sich nicht einmal die Mühe, abzusagen.

Nun aber glühte die Hoffnung in seinem irren Blick. Hubsi Schneider war davon überzeugt, dass ich allein durch die Tatsache, dass ich Österreicher war, einen guten Draht zu Peter Alexander haben musste. Was für ein Unfug! Einmal war ich bei Kollegen in einer Villa in Pörtschach zum Essen eingeladen, wir hatten bis spät in der Nacht getrunken und in heißen Honig getunkte Weintrauben gegessen, als auf dem Nachbargrundstück eine helle Gestalt über die dunkle Wiese tänzelte. Sie trug einen weiten Hausanzug und bewegte sich in anmutiger Langsamkeit rund um einen Zierteich. Es war von einer gespenstischen leisen Schönheit, wie Kabukitheater auf einem stummgeschalteten Schwarzweißfernsehgerät. Das sei Peter Alexander sagte einer meiner Kollegen, Blödsinn, das wäre Günter Philipp, eine andere Kollegin. Das war bis zum heutigen Tag meine einzige Verbindung zu Peter Alexander geblieben. Aber Hubsi Schneider wollte nichts von meinen Ausflüchten wissen. Da schenkte ich ihm reinen Wein ein.

»Machen Sie sich nicht zum Narren. Hören Sie denn nicht, was ich Ihnen mit behutsamster Höflichkeit zu sagen habe? Sie werden diesen Film nie drehen. Seien Sie doch ehrlich zu sich. Peter Alexander! Sie wissen, dass er nie zusagen wird. So eine lachhafte Lebenslüge. Und das in Ihrem Alter. Dass Sie sich nicht schämen!«

Hubsi Schneider zerfiel auf der Stelle. Sein listiger Blick wich Verwirrung, ja Verzweiflung. Dann holte er Luft und brüllte mich über mehrere Minuten an. Er folgte mir durch die Räume seiner Villa, nirgends konnte ich mich hinwenden, ohne dass ich seinen nach Cognac und Fleisch riechenden Atem im Nacken hatte.

Ich wäre gerne abgehauen, aber ich konnte Franz nicht finden. Später erfuhr ich, dass er im Keller gestanden und drei mitteljungen Damen »aus der Branche« sein Leid über Maga geklagt hatte, um ihnen tröstende Worte und eventuell Mitleidsex abzuringen,  aber obwohl er die diversen hässlichen Höhepunkte seiner Beziehung aus dem geschöntesten Blickwinkel erzählte, gaben die drei Damen Maga bei jeder Gelegenheit Recht, Franz bei jeder Gelegenheit Unrecht. Erbost hielt Franz vorbeigehende Partygäste auf und bat sie als unvoreingenommene Schiedsrichter zu entscheiden, aber die dämpften nur ihre Zigaretten aus und schüttelten enttäuscht den Kopf.

Mein Auto war von Maga der Unpässlichkeit zugeführt worden, sie hatte meine Motorhaube geöffnet und einen Grabstein hineingeschmissen, sodass der Motor zur Unkenntlichkeit verbogen wurde. Der Wagen spotzte nur noch noch ein wenig, dann gab er seinen Geist auf. Von Maga sollte ich erst viele Jahre später wieder hören.

Hubsi Schneider hatte es schwer, er kannte mich kaum, alles, was ihm zur Verfügung stand, um darauf seine Beschimpfungen aufzubauen, war mein mäßig tadelloser Anzug.

»Schau dich doch an!«, rief er. »Wie du ausschaust! Diese Schuhe, diese Hose! Schau dich doch an!« So sehr er auch versuchte, sich in Rage zu schimpfen, mehr fiel ihm nicht ein. »Schau dich doch an! Schau dir doch deine Schuhe an! Wie du ausschaust! Wie du von oben bis unten ausschaust!« Und so weiter, und so fort.

Nach einer viertel Stunde wurde sein Zorn kraftlos, müde ließ er sich auf ein Sofa sinken. Seine vierte Ehefrau setzte sich besorgt zu ihm, aber er verscheuchte sie sogleich mit einer mürrischen Handgeste.

Ungerührt ging ich in die Küche, um meinem Hund Baxter etwas zu trinken bereitzustellen. Die salzigen Kartoffelchips hatten ihn ganz durstig gemacht. Baxter japste vor Unbehagen. In einem Wasserkocher wärmte ich ihm einen Beaujolaix Cru Bourgeois Supérieur und wusch eine Salatschüssel ab, die ich als Napf nutzte. Als der Hund den Wein aus der Schüssel schlabberte, kam Hubsi Schneider in die Küche getrottet. Seine Wut war verraucht. Er warf seine Zigarre in die Spüle. Baxter knurrte zufrieden.

»Ich muss den Kirschbaum waschen«, sagte Schneider. »Kommen Sie mit?«

Im fahlen Scheine der Laterne, die Schneider mit seiner rechten schwenkte, in seiner rechten schaukelte ein rosiger Eimer, machten wir uns durch den Garten, vorbei am Pavillon, in den Nordosten des Grundstücks, wo ein Kirschenbaum gepflanzt war. Ein grauer Baum in grauer Nacht. Hubsi Schneider setzte den Eimer ab, es gluckste der Inhalt, eine speziell angerührte Seifenlauge, wie Schneider mir erklärte. Er tauchte eine Bürste ein und begann die Rinde des Baumes zu schrubben. Baxter jaulte.

»Ich habe den Baum an eine Stelle gesetzt, an der er nicht überleben kann«, sagte Schneider. »Weiß der Teufel, was ich mir dabei gedacht hatte.«

Während er mit letzter Kraft den Baum wusch, hob er an, erneut von seinem Filmprojekt zu erzählen.

Die Hinrichtung von Mary, der Elefantenkuh, geriet zu einem Fiasko. Zuerst wurde mit Pistolen auf sie gefeuert, erzählte mir Hubsi Schneider. Vier Mal, die Kugeln trafen den Bauch, die Knie und die Brust. Doch sie zeigten keine Wirkung. Auch eine zweite Salve an Gewehrkugeln schien Mary nichts anzuhaben. Was sollte der Zirkusdirektor tun? Er hatte 30.000 Karten verkauft. Die Leute erwarteten sich eine Show, das Gericht einen toten Elefanten. Quälte er den Elefanten zu lange, würde die Stimmung kippen. Ein zweites Desaster dräute. Also hängte er den Elefanten. Mithilfe eines Stahlseils und des Krans, mit dem er seinen Zirkus aufbaute, schaukelte Mary bald weithin sichtbar in der Luft. Da Marys Tod nicht genau zu bestimmen war, blieb der Applaus aus. Das Publikum blieb stumm, eine betrübte Stimmung lag in der Luft. Die Versammlung löste sich langsam auf. Der Zirkusdirektor wusste, dass er sein Leben ändern musste, aber seine Schulden würde es nicht zulassen.

»Ich will meine Karriere mit einem Paukenschlag der Wahrhaftigkeit beenden. Was ist Burleske ohne Erleuchtung? Warum wollen Sie mir das nicht gönnen?«

Er reichte mir die Bürste.

Immer wieder dachte ich in den nächsten Jahren an Hubsi Schneider und sein Filmprojekt. Es war eine gute Geschichte und tatsächlich wahr, ich hatte sie, sobald ich wieder in Wien angekommen war, nachrecherchiert.

Oft überlegte ich mir, während ich im Bett eine Zigarette rauchte, ein paar Nummern durchzurufen, bis ich schließlich Peter Alexander persönlich an der Leitung gehabt hätte, um ihn von diesem Angebot zu erzählen, ja vielleicht sogar zu begeistern.

Aber dann gab Eduard Schewardnadses Hausdiener sein großes Interview in der NDR-Dokumentation Der Mauerfall, in welchem er Hubsi Schneider als wahrhaftigen Urheber der herzigen Gitti-Filme bloßstellte, und ich wurde wütend. Meine Wut stieg ins Unermessliche.


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Triumph des Scheiterns 
von Peter Waldeck
 256 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag,
Fadenheftung, Leseband
€ 24.00
ISBN 978-3-903184-42-8
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